Es ist für mich als Person, in meinem Alltag oft nicht leicht mich schön zu fühlen. Meine Unsicherheit und auch mein Gefühl der Aussenwirkung schreien mich oft genug an. Die Individualität ist da ein zweischneidiges Schwert, auf der einen Seite ist es möglich in einer Stadt wie Berlin (zumindest in Mitte) so zu sein und sich so auszudrücken wie man möchte, auf der anderen Seite ist Individualität des einzelnen auch oftmals nur eine andere Form der Uniformierung. Ich habe das viele Jahre in schwarz gelebt. Mit einem komplett schwarzen Kleiderschrank. Ein rotes T-Shirt war ein Fauxpas im Style, nur zum schlafen geeignet. Auch die Musik, Aktivitäten und Lebensziele waren mit denen meiner Freunden und “der Szene” gleichgeschaltet. Das funktioniert gut, solange man sich zugehörig fühlt. Die Gruppe spendet Sicherheit und einen zu folgenden Lebensweg.
Doch da bin ich ausgebrochen. Ich trage vermehrt das was ich mag, kombiniere mutig und trage Farben, orange und blau sind hoch im Kurs. Ich fahre damit sehr gut, fühle mich richtig und kann die Seitenblicke der Passanten gekonnt ignorieren. Schließlich bin ich viel mehr ich selbst. Aber dennoch fällt mir schön fühlen schwer. Ich fühle mich oft stark, schick, sicher, frei. Nur mit der Begrifflichkeit “schön” tue ich mich schwer. Ich bin oft unsicher ob ich überhaupt schön sein darf, protestantischer Puritanismus und die allgemein gängigen aufgesetzten Männlichkeitsbilder lassen mich an meiner Schönheit zweifeln. Ich hänge diesen Maßstäben nicht nach, aber sie sind trotzdem noch immer irgendwo tief in meinem Kopf. Ein ewiger Kampf gegen das Mittelmaß. Wann darf “Mann” sich schön fühlen? Wie gehe ich mit der unausgesprochenen Erwartungshaltung der Gesellschaft um, welche auch auf meiner Angst beruht. Selten werde ich aktiv kritisiert, vielmehr ist es der Vergleich mit der Masse, das Gefühl nicht in Schablonen zu passen.
Aber heute finde ich mich schön. Ich bin mit wundervollen Menschen verabredet und habe mich aus dem Bauchgefühl heraus angezogen. Mein Stil heute ist klassisch und phantastisch, ein Stück Anachronismus und ganz viel Phantasie. Ein Outfit für diesen Tag.
Heute bin ich schön!